Theodor-Fontane-Freundeskreis M/V – Kloster Dobbertin
Mitglied in der Theodor Fontane Gesellschaft e.V.
       


 


„O lerne denken mit dem Herzen, und lerne fühlen mit dem Geist!“ –

diese Worte Fontanes, die unser Referent an das Ende seines Vortrags stellte, bildeten noch lange nicht den Schluss unserer Veranstaltung am 3.7.2010. Wie Theodor Fontane, so zeigten sich auch unsere Besucher an diesem heißen Tag nicht nur literarisch, sondern auch historisch interessiert – diesmal am Thema.

„Der dulle Nonnen-Krich“.
Die Reformation des Benediktinerinnenklosters Dobbertin 1557-1578

Unser Referent, Oberkirchenrat Rainer Rausch, nahm uns auf der Grundlage eines Vortrags von Peter Johann Wurm mit in bewegte, ja stürmische Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts im Kloster Dobbertin. Keine beschauliche Ruhe und Kontemplation – ein „duller Nonnen-Krich“ prägte die Einführung der Reformation im Kloster der Benediktinerinnen. 40 Jahre nach Luthers Thesenanschlag an der Wittenberger Schlosskirche, lange nach der Aufhebung der mecklenburgischen Mönchsklöster und später als die der meisten anderen Nonnenklöster – gingen die Mecklenburgischen Herzöge daran, auch Dobbertin, Malchow und Ribnitz zu reformieren.
Die Bestrebungen der Reformation hatten in diesen Jahrzehnten auch in Mecklenburg Einfluss gewonnen. Das Kloster Dobbertin, so die Unterlagen im Landeskirchlichen Archiv, sollten den Landständen überlassen werden – als Verhandlungsmasse in den Besitzstandskonflikten zwischen den Herzögen und der Landschaft. Doch dazu musste es für diese verwertbar sein – zum Beispiel zur Versorgung der „Jungfrauen beider Stände“.
So kam es im Jahr 1557 zur ersten „Visitation“ des Klosters mit einem bedeutenden Aufgebot: zwei Rostocker Professoren, ein Wismarer Pastor und späterer Superintendent, zwei von der Ritterschaft bestellte Landräte und weitere Personen trafen im Refektorium des Dobbertiner Klosters – unserem Vortragsraum – auf die Mehrzahl der 30 Nonnen und ihre Priorin. Die Meinungen prallten aufeinander, doch es schienen sich mögliche Kompromisse abzuzeichnen. Die Nacht verbrachten die Benediktinerinnen jedoch auf dem Nonnenchor, bereiteten sich auf das Fest „Mariä Verkündigung“ vor und sangen die Stundengebete, wie sie es gewohnt waren. Am nächsten Tag erfolgte nicht nur die erste evangelische Predigt im Kloster, sondern auch eine weitere, eindringliche Ermahnung der Nonnen. Die Priorin stimmte schließlich dem Empfang des Abendmahls nach neuer Sitte, der Veränderung der Gebetbücher, der Entfernung der Heiligenbilder und der Bestellung neuer Prediger zu.  
Doch das große Marienbild vom Nonnenchor konnte erst nach lautem Protest der Nonnen entfernt werden. Nach dem Abzug der Visitatoren kehrte die Mehrzahl der Nonnen wieder zu dem zurück, was sie ihr ganzes Leben lang als richtig empfunden hatten – und worin sie ihr Seelenheil sahen. Vor allem das lebenslange Gelübde, das Nonnenkleid, die römische Liturgie und der Zölibat ihrer Prediger – eine immer noch „papistische“ Haltung – waren und blieben ihnen über viele Jahre wichtig; die Klostertracht sollte in Dobbertin erst nach 1578 zur Vergangenheit gehören.
Weitere Visitationen mussten folgen; auch die Herzöge selbst bemühten sich zum Kloster. Doch die neu verfassten Statuten setzten sich nur äußerst zögerlich durch. Im Ergebnis dieses jahrelangen Prozesses zeigten sich die Nonnen in „Einzelverhören“ gespalten, doch die Situation spitzte sich weiter zu. Vom Verweigern der Gespräche mit den Visitatoren, vom Zumauern des Nonnenchores, dem angedrohten Einmauern der „Widerspenstigen“, über Steinwürfe und Wassergüsse der Nonnen von der Empore, zerrissene Gewänder bis hin zur Vertreibung des „halsstarrigen“ Teils des Konvents – diese Geschichte¹ liest sich in der Tat wie ein eskalierender „Nonnenkrieg“.
Doch die vertriebenen Nonnen wandten sich nicht etwa zu ihren Familien, sondern zunächst nach Lübz, wo sie Unterstützung durch die Herzoginmutter Anna erhielten. Später schlichen sie sich wieder ins Kloster, und der alte „katholische Zustand“ blieb über Jahre unverändert. Zwar gab es kleine Fortschritte, doch die Dobbertiner Konventualinnen verhielten sich meist so, dass das neu geschaffene Amt des Klosterhauptmanns nur sehr schwer zu besetzen war…
Künftige Visitatoren bewiesen etwas mehr Geduld als die Herren in den vorangegangenen Jahren. Und der Verlauf der Geschichte gibt ihnen recht – mit den Reversalen von 1572 konnte das Kloster Dobbertin wie die beiden anderen Landesklöster von den Herzögen an die „Landschaft“ überwiesen werden – nun endlich als evangelisches Damenstift „zur christlichen Auferziehung inländischer Jungfrauen“.

Eine spannende Geschichte, deren schriftliche Zeugnisse noch längst nicht endgültig aufgearbeitet sind. Die Zuhörer des Vortrags hatten eine Menge Fragen – die ein deutliches Interesse an regionaler Geschichte verrieten. Ein herzlicher Dank gilt Herrn Rausch, der diesen Vortrag möglich machte!

Gabriele Liebenow     


¹Nachzulesen in E. Raven: „Die Kirche und das Kloster zu Dobbertin […] mit besonderer Darstellung der Reformationszeit“, Selbstverlag 1925. Ein auszugsweiser Reprint, herausgegeben im Auftrag des Fördervereins des Klosters Dobbertin,  ist im Klosterladen erhältlich.