Theodor-Fontane-Freundeskreis M/V – Kloster Dobbertin
Mitglied in der Theodor Fontane Gesellschaft e.V.
       


 


12. November 2011, Regina Dieterle, Zürich:
Martha Fontanes Klosterfahrt nach Dobbertin

Frau Dr. Regina Dieterle spricht von „Martha“ – nicht von „Mete“, wie es viele „Insider“ gern tun. Damit rückt sie die Tochter der Fontanes weg von dem schwierigen, kapriziösen Kind, dessen Leben sich ausschließlich in ebendiesem Tochter-Kontext erschließt. Und sie tut damit das, was auch „Mete“ meist getan hat. Viele Briefe – auch Nachrichten an die Eltern – sind mit „Martha“ oder sogar mit „Martha Fontane“ unterzeichnet.
Und doch ist es das Thema Vater-Tochter, das unsere Referentin lange beschäftigt hat – zunächst im Rahmen ihrer Dissertation, danach als Herausgeberin der Briefe, sodann als Biografin Martha Fontanes.

Nun arbeitet die Vorsitzende der Theodor Fontane Gesellschaft gar an einer neuen Biografie des märkischen Dichters. Hatte es vor dem Erscheinen von „Die Tochter“ noch Stimmen gegeben, die meinten, man werde wohl nicht mehr viel bisher Unbekanntes über die Fontanes in Erfahrung bringen können, so wird das Erscheinen dieser Biografie (2013?) auch von den Dobbertiner Fontane-Freunden mit Spannung erwartet.
Denn auch für Fontane-Laien wurde an diesem Abend deutlich, dass sich Regina Dieterle nicht mit ausgetretenen Pfaden zufrieden gibt. Wohl hat sie vor ihren Veröffentlichungen akribisch die „Aktenlage“ studiert, Vorhandenes aus dem Blickwinkel ihres Forschungsgegenstandes gesichtet. Doch dann hat sie sich auf den Weg gemacht, hat Orte auf sich wirken lassen, Kontakte geknüpft, die richtigen Fragen gestellt, sich „weiterreichen“ lassen – und sie ist auf diesen Wegen in vielfacher Weise fündig geworden.
Zwar hat Frau Dr. Dieterle den „weißen Koffer“ voller Fontane-Autographen nicht entdeckt, dessen Existenz immer wieder durch die Fontane-Community geistert – aber sie fand eine Vielzahl bisher unbekannter Briefe, auch von der Hand Theodor Fontanes.
Doch Regina Dieterle erlaubt es sich auch, ausgehend von schriftlichen Zeugnissen und angesichts der besuchten Orte und ihrer Geschichte weiterzufragen. Was hat Martha Fontane bei ihren Aufenthalten in Rostock bei Wittes, in Klein Dammer oder in Dobbertin gesehen und erlebt? Womit hat sie sich beschäftigt? Was hat sie gelesen oder vorgelesen? Was mag sie bewegt haben? Wo mögen Motive liegen, die die „Aktenlage“ zwar nicht hergibt, die aber mit einiger Wahrscheinlichkeit zutreffen? Und so rundete sich die Geschichte Martha Fontanes nicht nur zu einem absolut lesenswerten, eigenständigen Lebensbild der „Tochter“, sondern auch zu einer lebendigen Darstellung ihrer Zeit – beides akribisch fundiert, aber so gar nicht papiern.

Besonders gefreut hat es die Hörer in Dobbertin, dass Regina Dieterle diesem Ort eine besondere Bedeutung für Martha Fontanes Leben zuordnet, besonders bezogen auf den einwöchigen Besuch bei „Tante Rohr“ im Juni 1882. Ein verpatztes juristisches Examen hatte es Marthas „heimlichem Verlobten“ nach den Konventionen unmöglich gemacht, ganz formal bei den Eltern um die Hand der 22Jährigen anzuhalten. (Später zog er sich schweigend vollständig zurück, und diese „charakterlose und folgenschwere Schweigsamkeit“ sollte Martha Fontane zutiefst kränken. Nachdem ihr Vater zuvor vermutet hatte, dass eine glückliche Verlobung manche sich bereits früh abzeichnenden seelischen Probleme seiner Tochter lösen könne, schreibt er ihr später: „Denn ein Hosenmatz, der nicht weiß, was er will, […] ist allemal eine Gefahr.“).
Zugleich trug sich Martha nach ihrer Hauslehrerinnenzeit in Klein Dammer im Frühsommer 1882 selbst mit literarischen Plänen. Ihr Aufenthalt in Dobbertin diente gewiss dazu, sich über ihren weiteren Weg klar zu werden, mindestens aber dazu, zur Ruhe zu kommen. Doch sicher hat sich Mathilde von Rohr auch über die Abwechslung gefreut, die die junge Berlinerin mitbrachte. Man gibt Gesellschaften, Martha spielt Klavier und liest vor - so z. B. aus dem kürzlich erschienenen Novellenzyklus „Das Sinngedicht“ von Gottfried Keller, das auch Emilie Fontane ihrem Mann vorgelesen hatte, und aus Werken von Thomas B. Macaulay). Und sie schreibt zwei Briefe an die Eltern. Sie beschreibt die Dobbertiner Tage darin als still und reizvoll, „und die einsamen Stunden, die ich auf meinem gemütlichen Zimmer zubringe beim Rauschen des Sees und dem leise plätschernden Regen sind mir unvergesslich lieb“. 
Regina Dieterle brachte ihren Zuhörern die Dobbertiner Woche der Martha Fontane auch musikalisch nahe – unsere Referentin hatte im Nachlass Noten gefunden und die Klavierstücke zu vier Händen auf CD einspielen lassen.

Ihr Vortrag endete nicht mit dem Freitod der Martha Fritsch-Fontane 1917 in Waren, die in ihrer Ehe mit Karl Emil Otto Fritsch bis zu dessen Tod im Jahr 1915 ein spätes Glück gefunden hatte. Ein zweites Mal brachten Günter Rieger und Regina Dieterle einen Fragebogen zu Gehör; diesmal nicht mit den Antworten der 17Jährigen, sondern denen der gestandenen Dreißigerin - und so trat uns Theodor Fontanes Tochter zum Abschluss nochmals sehr plastisch vor Augen.  
 
Die Zuhörer dieses Abends waren sich einig: es war ein Gewinn, Regina Dieterle bei uns zu haben. Das zeigten nicht nur der Beifall nach dem Vortrag, sondern auch viele Reaktionen an den folgenden Tagen.

Zum Publikum dieses gelungenen Abends gehörten auch Lisa Riedel, die langjährige Leiterin des Neuruppiner Museums, und eben Günter Rieger, der 2008 einen der ersten Vorträge im “Fontane-Salon“ Dobbertin gehalten hat – und 2012 wieder bei und zu Gast sein wird.

 Gabriele Liebenow

 

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Sonnabend, 12. November 2011, 17.00 Uhr
im Kreuzgang des Klosters Dobbertin
Regina Dieterle, Zürich: Martha Fontanes Klosterfahrt nach Dobbertin

Frau Dr. Regina Dieterle hat vor einigen Jahren mit der Biografie „Die Tochter“ nicht nur eine blendend recherchierte Lebensbeschreibung von Martha Fontane vorgelegt. Die Vorsitzende der Theodor-Fontane-Gesellschaft nimmt uns in diesem Werk – und gewiss auch in ihrem Vortrag – auch mit in das „Abenteuer Fontane“.
In ausgedehnten Reisen zu den Schauplätzen und mit viel Spürsinn und Akribie hat Frau Dr. Dieterle etliche bisher unbekannte Quellen entdeckt und damit nicht nur der Fontane-Forschung, sondern auch den Freunden des märkischen Dichters viel Neues geschenkt.
Unsere Referentin schickt sich nun an, eine neue Biografie Theodor Fontanes zu veröffentlichen. Eine der Stationen ihrer Forschungen wird auch Dobbertin sein.

Heißen wir sie willkommen!