Theodor-Fontane-Freundeskreis M/V – Kloster Dobbertin
Mitglied in der Theodor Fontane Gesellschaft e.V.
       


 


„Fontane lesen, lieben, sammeln – Erlebnisse und Ergebnisse eines Lebens mit Fontane“

 Professor Christian Andree überraschte die Zuhörer zu Beginn seines Vortrags am 4. April im Refektorium des Klosters Dobbertin, indem er den Dichter selbst zu Wort kommen ließ – mit der Rezitation einer der schönsten Fontane-Balladen: „John Maynard“. Dies nicht ohne Grund: der bekannte Wissenschaftshistoriker und profilierte Fontane-Sammler beschreibt die Begegnung mit diesem Gedicht in seinen Kinderjahren als Beginn einer lebenslangen Passion.

Die wiederum gut besuchte zweite Veranstaltung des Freundeskreises in diesem Jahr war von vielen Fontane-Freunden mit großer Neugier erwartet worden – ist Christian Andree doch der wohl bekannteste Sammler von Handschriften des Dichters und anderer Fontaneana.

Wie war es ihm gelungen, einen so umfangreichen Bestand zusammenzutragen, dass mit der Übergabe seiner Sammlung im Jahr 1997 der Fundus des Fontane-Archivs um mehr als ein Drittel erweitert werden konnte?

In einem sehr persönlich gehalten Vortrag berichtete Christian Andree zunächst von den Anfängen seiner Leidenschaft. Fontane galt, vor allem im Westen Deutschlands, zunächst eher als unbedeutender „Unterhaltungsschriftsteller“. Autographen von seiner Hand wurden damals zu Preisen gehandelt, die sich – mit einigen persönlichen Opfern – selbst ein Student leisten konnte. Erst später, im Zuge einer Neubewertung des Fontane’schen Werkes und mit dem erwachenden Interesse öffentlicher Archive, wurden für den Erwerb dieser Handschriften neben Energie, Spürsinn und Glück auch beträchtliche finanzielle Mittel erforderlich.

Nach Ablauf der Bindungsfrist und mit dem Versiegen der Tantiemen für die Werke seines Vaters im Jahre 1928 sah sich Friedrich Fontane gezwungen, den bei ihm verbliebenen Bestand des Fontane-Nachlasses zu verkaufen. Er hatte den Bestand schließlich – weit unter Schätzwert – für nur 20.000,00 Reichsmark der Preußischen Staatsbibliothek angeboten, um den Nachlass nach Möglichkeit zusammenzuhalten. Diese war jedoch nur bereit, 8.000,00 RM zu zahlen, noch dazu in zehn Jahresraten. So sah sich Friedrich Fontane gezwungen, den kleineren Teil des Nachlasses doch einzeln zu verkaufen – mit höherem Erlös. Der größere Teil wurde erst 1935 von der Brandenburgischen Provinzialverwaltung gekauft und begründete damit das Theodor-Fontane-Archiv.

Christian Andree berichtete von den Höhepunkten seiner Sammeltätigkeit, vom Erwerb verschollen geglaubter Briefe und Werkmanuskripte, von seinen Erfahrungen im Umgang mit Autographenhändlern und Archivaren – aber auch davon, wie reizvoll es ist, das Werden und Wachsen der Endfassung eines Gedichtes oder einer Formulierung des Dichters anhand der Korrekturen in verschiedenen Fassungen der Werkentstehung verfolgen zu können.

Zum Glück gehört Christian Andree nicht zu der Art Sammler, die besondere Freude daran finden, dass nur sie und kein anderer Kenntnis von den Objekten ihrer Leidenschaft haben. Immer wieder veröffentlichte er Teile seiner Sammlung, und schließlich veräußerte er den Bestand als Ganzes. Die „Sammlung Andree“, zu der sicher auch Teile des ab 1928 in alle Winde verstreuten Bestandes gehören, ist nun für die Öffentlichkeit nutzbar – wie es Friedrich Fontane und seinem Vater wohl gefallen würde.

Unser Gast zeigte sich nicht nur von den Aktivitäten unseres Freundeskreises und der Fontane-Ausstellung im Konventsaal beeindruckt, sondern auch von der Gesamtanlage und der vorbildlichen Sanierung des Klosters Dobbertin. Dessen Geschichte und Entwicklung wurden von unserem Mitglied, Klosterbauleiter Lutz Camin, während einer Führung für interessierte Gäste sachkundig erläutert.

Gabriele Liebenow

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Unser nächster Vortrag (04.04.2009, 17.00 Uhr, Refektorium im Kloster Dobbertin) steht unter dem Motto

Fontane lesen, lieben, sammeln –
Erlebnisse und Ergebnisse eines Lebens mit Fontane.

Lesen Sie hier, wie uns Herr Prof. Andree auf diesen Nachmittag einstimmt:

"John Maynard" schrieb ich als Achtjähriger in mein (Dorf-)Schulheft im Osten Deutschlands "von Theodor von Tane".

Damals ahnte ich nicht, daß meine Begegnung mit der "Schwalbe", dem Erie-See und mit dem tapferen Steuermann, der sein Leben hingab, um Leben zu retten, Beginn einer lebenslangen Passion sein sollte. Den seltsamen Dichternamen hatte ich zum ersten Mal gehört und es sollte noch Jahre dauern, bis ich als Gymnasiast mit Fontane wieder in geistig-seelische Verbindung trat. Fontane, der damals eher als unbedeutender Unterhaltungsschriftsteller des 19. Jahrhunderts galt und heute hochangesehen ist, hat mich ein Leben lang begleitet. Ich habe das Glück gehabt, die wohl größte private Handschriftensammlung von ihm in über 40 Jahren zusammentragen zu können (mehr als 6000 Seiten mit Fontane-Autographen). Darunter befinden sich bis heute als ganzes noch unveröffentlichte Werkteile und Briefe wie Urmanuskripte von Romanen, sehr viele ungedruckte Briefe und die so ebenfalls unbekannten Reiseberichte über Schleswig-Holstein und Dänemark: "Mein skandinavisches Buch", das ich kürzlich herausgegeben habe (mit farbigen Abbildungen).

Von meiner Sammlung, die sich heute in Potsdam befindet und die Bestände des Fontane-Archivs um ein gutes Drittel vermehrt hat, sind ein Katalogband mit zahlreichen Erstdrucken unbekannter Fontanetexte sowie ein mit farbigen Fontane-Manuskriptfaksimiles versehenes Heft der „Kulturstiftung der Länder“ erschienen.

Mein Vortrag dauert ca. 45 Minuten (wenn gewünscht, auch länger). Er bringt Lesungen unbekannter Fontanetexte, zunächst aber die spannende Geschichte der Entstehung dieser Sammlung in den Zeitläuften nach 1945.“