Theodor-Fontane-Freundeskreis M/V – Kloster Dobbertin
Mitglied in der Theodor Fontane Gesellschaft e.V.
       


 


„Patin Rohr“ –

eine ungewöhnliche Anrede; schließlich war den meisten der zahlreichen Zuhörer, die sich an diesem Sonnabend im Konventsaal des Klosters Dobbertin versammelt hatten, Mathilde von Rohr eher als würdiges „gnädiges Fräulein“, als resolute Stiftsdame und als verlässliche Freundin Theodor Fontanes vertraut.

Doch das Beziehungsnetz zwischen der Dobbertinerin und der Familie Fontane erschöpft sich nicht in der freundschaftlichen Verbindung des Dichters zum Stiftsfräulein. Oft war auch Emilie Fontane einbezogen – und die freundliche Fürsorge Mathildes schloss bereits in der Berliner Zeit auch die Kinder der Fontanes ein, Mete – und vor allem Friedel, ihr Patenkind.
Als Mathilde von Rohr ihren Wohnplatz im Stift bezog, waren die jüngeren Fontane-Kinder 9 bzw. 6 Jahre alt. Aus der Ferne nahm sie weiter Anteil an ihrer Entwicklung.

Brigitte Birnbaum führte uns zunächst in das Jahr 1884.
Mathilde wartet auf einen jungen Besucher, ihr Patenkind Friedel, inzwischen 20 Jahre alt. Wir erleben Mathildes Vorfreude, sehen den jungen Mann schließlich in Dobbertin aus der Kutsche springen, die sie ihm nach Güstrow zum Bahnhof geschickt hatte. Die Erzählerin deutet an, worum es in den Gesprächen der beiden gegangen sein mag – um die eben bestandene Abschlussprüfung als Buchhändler bei Prof. Langenscheidt in Berlin, um das Befinden seiner Eltern – und vielleicht um die Besuchsplanungen im Kloster Dobbertin für die nächsten Tage und weitere Unternehmungen, bei denen sich Friedel erholen könnte. – Doch immer dann, wenn sich die Zuhörer im Konventsaal zurücklehnen, lauschen und sich auf die Geschichte einlassen wollten, machte unsere Referentin deutlich, dass hier längst ihre Phantasie waltete. Friedrich Fontanes Besuch ist ja nur durch eine kurze briefliche Bemerkung Theodor Fontanes zu Tochter Mete belegt.
In gleicher Weise gelingt es Brigitte Birnbaum auch im weiteren, historisch Verbürgtes mit literarischer Fiktion zu verknüpfen – doch ohne die Grenzen zwischen beidem zu verwischen. 
So muss fast jeder Satz der Referentin mit einem Fragezeichen enden. Auch dann, wenn sie Vermutungen darüber anstellt, weshalb zwar kein Fontane-Kind, wohl aber ein Sohn Bernhard von Lepels bei Mathildes Beerdigung zugegen war. War sie auch für diesen „Patin Rohr“?
Brigitte Birnbaum regte ihre Zuhörer nicht nur im Vortrag, sondern auch im folgenden Gespräch vielfach zum Weiterdenken und zum Nachlesen an.               
Viele Besucher nutzten die Gelegenheit, auch einige persönliche Worte mit unserer Referentin zu wechseln – sei es, um ihr nochmals zu danken, um Dobbertiner Kontakte aufzufrischen oder um einen weiteren Vortrag, diesmal vor Schülern des Lübzer Gymnasiums, zu vereinbaren.

Wir haben erfahren, dass Mathildes Leben, ihre Kontakte und Verbindungen, ihre Freundschaft zu Theodor Fontane und seiner Familie immer noch Neues bergen, aber auch Fragen offen lassen, vielleicht auf Dauer. Das ist bedauerlich – und es war umso anregender, Brigitte Birnbaum in ihrem Spiel mit Fakten und Fiktion zu folgen.
Wäre es nicht schön, wenn jemand, der diese Fakten so gut kennt wie sie – und die „Fehlstellen“ so geschickt mit Phantasie füllt – ein literarisch fiktives und doch authentisches Bild der Welt Mathilde von Rohrs malen würde?

Gabriele Liebenow

* * *

Brigitte Birnbaum, Hamburg:
Patin Rohr. Zum 200. Geburtstag

Unsere Referentin, ein vertrauter Gast in Dobbertin, eröffnet mit ihrem Vortrag den 2. Teil unseres Fontane-Jahres.
Auch nach dem Erscheinen ihres Buches „Fontane in Mecklenburg“ (1994) hat Brigitte Birnbaum das Leben Theodor Fontanes und seines Umfelds nicht losgelassen. Diesmal spricht sie über die Fontane-Freundin und Ratgeberin Mathilde von Rohr – und über die weniger bekannten Verbindungen der würdigen Dobbertiner Stiftsdame zur Familie des märkischen Dichters.

Brigitte Birnbaum, seit 1968 freie Schriftstellerin, ist vielen Leser zunächst als Kinderbuchautorin begegnet,
z. B. in biographischen Geschichten über Heinrich Zille, Käthe Kollwitz oder Hans und Lea Grundig. In den letzten Jahrzehnten zeichnete sie u.a. die Spuren von Ernst Barlach nach, beschäftigte sich mit Güstrow – aber auch mit Fontane-Orten in unserem Bundesland.

Eintritt: 5,00 €