Theodor-Fontane-Freundeskreis M/V – Kloster Dobbertin
Mitglied in der Theodor Fontane Gesellschaft e.V.
       


 


3. September 2011
Roland Berbig, Berlin:
Emiliens Haushaltsbuch Oder Lust und Leid des Chronisten

Mit „Übermut und Neugier“ beschrieb unser Referent, Prof. Roland Berbig, seine Stimmung Ende der 1990er Jahre – in der Planungsphase zur „Fontane-Chronik“ [1]. Er nahm seine Zuhörer mit in die Zeit der Entstehung des Projekts: die Idee, parallel zur Fontane-Bibliographie [2] auch eine möglichst lückenlose Dokumentation über Fontanes Leben vorzulegen, war allenthalben auf ungeteilte Zustimmung gestoßen. Nur einer der Kollegen hatte vorsichtig gewarnt: „…das zieht sich…“; war Fontane doch nicht nur ein literarisch erfülltes, sondern auch ein recht langes Leben beschieden.

Nachdem die ersten Planungen vorlagen und die Deutsche Forschungsgemeinschaft die erforderlichen Gelder zur Verwirklichung des umfangreichen Vorhabens bewilligt hatte, waren wichtige Entscheidungen zu treffen. Natürlich gab es Vorläufer des Unterfangens – Herr Prof. Berbig nennt im Vorwort seiner Chronik Hans-Gerhard Wegner, Hermann Fricke und vor allem Christian Grawe – doch sollte das vorliegende Werk  nicht nur ungleich ausführlicher sein, sondern im Gegensatz zu manchem der Vorläufer auch die Quellen aller Eintragungen exakt belegen.

Roland Berbig ließ uns in seinem Vortrag teilhaben an „Lust und Leid des Chronisten“. Fontanes Leben ist recht gut dokumentiert, zum Teil hat er selbst Tagebuch geführt, seine briefliche Hinterlassenschaft ist umfangreich, Institutionen wie das Fontane-Archiv in Potsdam halten weiteres Material vor. Wie umgehen mit dieser enormen Materialfülle? In welchen Rubriken sollte man Fontanes Leben Tag um Tag erfassen? Und: wie ausführlich sollten diese Einträge am Ende sein? Des weiteren: Wie verlässlich sind die archivalischen Quellen? Wie sicher ist – z. B. in Tagebuchaufzeichnungen und Briefen – das Gedächtnis der jeweiligen Autoren für Fakten und Daten? Was muss man nochmals „querprüfen“, um es zu verifizieren?     
Eine weitere Schwierigkeit, die wohl jeder Fontane-Freund nachvollziehen kann, brachte das Studium der Quellen auch mit sich – allzu leicht liest man sich fest, lässt sich von den Texten verzaubern und „forttragen“ – und hat dann womöglich den unbedingt nötigen, versachlichenden „Chronistenblick“ verloren. Doch gerade dieser filternde Blickwinkel ist es ja, der der Fontane-Forschung ein Standardwerk bereitstellen kann.   

Fast zwölf Jahre der Beschäftigung mit der Fontane-Chronik liegen nun hinter unserem Referenten. Das Werk umfasst die Fülle der erreichbaren und belegbaren Informationen in den Rubriken Begegnungen, Unternehmungen, familiäre Ereignisse, literarische Arbeiten, Lektüre und Veröffentlichungen – und natürlich Briefe von und an Theodor Fontane. Die Chronik ergänzt die Informationen in diesen Rubriken durch für Fontanes Leben relevante Geschehnisse der Zeitgeschichte – und natürlich durch prägnante Zitaten aus den Quellen selbst. Denn was wäre eine Fontane-Chronik, die – bei aller Beschränkung auf Fakten und Daten – den Märker nicht auch selbst zu Wort kommen lässt?

[1] Roland Berbig: Theodor Fontane Chronik. 5 Bde. Berlin, New York 2010.
[2] Wolfgang Rasch: Theodor Fontane Bibliographie. Werk und Forschung. 3 Bde. Berlin, New York 2006.

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Sonnabend, 03. September 2011, 17.00 Uhr
im Konventsaal des Klosters Dobbertin
Roland Berbig, Berlin:
Emiliens Haushaltsbuch und andere Quellen.
Die Fontane-Chronik Oder Lust und Leid des Chronisten
Im Jahr 2010 erschienen, hat Roland Berbigs „Fontane-Chronik“ Furore gemacht: auf fast 4000 Seiten wird das Leben Fontanes – Aufenthalte und Reisen, Besuche, Briefe… – rekonstruiert. Damit ist ein Werk entstanden, das nicht nur für Fontane-Freunde interessant ist. Es vermittelt auch ein äußerst anschauliches Bild des Lebens im 19. Jahrhundert.
Roland Berbig, Professor an der Humboldt-Universität Berlin, lässt uns an der Entstehungsgeschichte dieses umfassenden Basiswerks teilhaben, dessen Erarbeitung viele neue Erkennt-nisse und manche Anekdote über den märkischen Dichter ans Licht brachte, aber sicher auch viel Spürsinn und Ideenreichtum erforderte.