Theodor-Fontane-Freundeskreis M/V – Kloster Dobbertin
Mitglied in der Theodor Fontane Gesellschaft e.V.
       


 


Theodor Fontane und seine Beziehungen zu Schleswig-Holstein

Nein, seine Kriegsberichterstattung ist wahrlich nicht der einzigeBerührungspunkt zwischen dem Märker Fontane und dem Norden, auch wenn der Bericht von den 1864er Schlachtfeldern - neben dem Stoff für „Unwiederbringlich“ und vielleicht dem Kontakt zu Theodor Storm - dem Fontane-Freund beim vorstehenden Thema zuallererst einfallen mag. Was unser Referent vorzutragen hatte, ging weit über diese Streiflichter hinaus und bot Ausblicke zu Themen, die wohl die wenigsten Zuhörer im gut besetzten Konventsaal erwartet hatten.  
Doch natürlich leitete Gerd Stolz seinen Vortrag mit Gedanken zur Fontane’schen Kriegsberichterstattung und der „Muß-Preußenschaft“ der Bewohner Schleswigs und Holsteins ein – hatte der Journalist Theodor Fontane doch eine ganze Reihe von Jahren diesem Genre gewidmet, wiewohl sein Herz sicherlich nicht daran hing. Ein kommerzieller Erfolg war ihm damit nicht beschieden – und auch Fontane selbst mag unzufrieden gewesen sein, denn später verweigerte er einer geplanten Neuauflage seine Zustimmung.

Breiten Raum in Gerd Stolz’ Vortrag nahmen Theodor Fontanes Kontakte zu Literaten Schleswig-Holsteins ein. Bereits in seiner Zeit als Herausgeber des Belletristischen Jahrbuchs „Argo“ hatte sich Fontane um einen Kontakt zu Klaus Groth bemüht, den er durch den „Quickborn“ (1853) kannte und  lebenslang schätzte, doch menschlich mögen beide Autoren keinen engen „Draht“ zueinander gefunden haben. So zitierte Gerd Stolz aus einem Brief Fontanes an Tochter Mete 1878: „ […] empfing ich Besuch von Klaus Groth, der eine Stunde lang mit mir plauderte; ich war sehr befriedigt, hoffentlich er auch, trotzdem ich drei oder vier faux pas gemacht habe. Aber in einer Stunde ist dies eigentlich wenig.“
Anders mit Theodor Storm – die im „Tunnel über der Spree“ begründete Freundschaft und der folgende Briefwechsel [1] währten ein Leben lang, und diese Freundschaft hielt es aus, dass beide weder literarisch noch politisch immer einig waren. Unser Referent zitierte ein prägnantes Beispiel: auf den Vorschlag Fontanes, ob Storm, dessen Heimatverbundenheit er kannte, nicht eine Siegeshymne auf den preußischen Sieg über Dänemark schreiben wolle, antwortete Storm umgehend:
„Liebster Fontane, Hol Sie der Teufel! Wie kommen Sie dazu, daß ich eine Siegeshymne dichten soll?“ Zwar hatte Storm die dänische Besetzung seiner Heimat abgelehnt, doch ein Freund Preußens war nicht aus ihm geworden.
Von vielen weiteren Begebenheiten und Anekdoten berichtete Gerd Stolz.  (So liebte Fontane den Urlaub im Norden – vor allem dann, wenn er die häuslichen Renovierungsarbeiten Emilie überlassen und währenddessen mit Georg Friedländer einen ruhigen Urlaub in Wyk auf Föhr verbringen konnte. Und vielleicht werden manche Zuhörer den Vortrag zum Anlass nehmen, in Husum nicht nur Storm zu „besuchen“, sondern auch Fontane nachzuspüren.)

Doch der eigentliche Schwerpunkt des Vortrags lag für die Verfasserin dieses Berichts ganz anderer Stelle. Die anschauliche Darstellung von „Haus Forsteck“ in Kiel war eine Entdeckung! In seiner Villa an der Kieler Förde führte der gastliche liberale Hamburger Fabrikant Heinrich Adolph Meyer unabhängige Denker und Künstler seiner Zeit zusammen. „Standesbewusstsein und Rangabzeichen kamen für ihn nach Leistung im Beruf, Verpflichtung für das Allgemeinwohl und freier Wohltätigkeit. […] es zählte der Mensch, nicht sein Kleid.“ [2] Meyers Schwägerin hatte den Sänger Julius Stockhausen geheiratet, mit dessen Familie die Fontanes eng befreundet waren; die Schwester, Margarethe Meyer, wurde die Ehefrau von Carl Schurz. Und Gerd Stolz setzte die Reihe bekannter Bewohner und Besucher von „Haus Forsteck“ fort, zu denen neben Johannes Brahms auch Klaus Groth und Theodor Fontane gehörten. Sein unbedingt lesenswertes Buch [2], das umfangreiche Recherchen zu Personen und Orten umfasst und ein lebendiges Zeugnis einer zu Unrecht fast vergessenen Facette kulturellen Lebens im Norden Deutschlands darstellt, sei Interessenten dringend ans Herz gelegt!
Wir haben Gerd Stolz für sehr anregende Darlegungen zu danken, die unser Referent durch mit großem Talent vorgetragene Rezitationen und Briefzitate belegte und abrundete.

Gabriele Liebenow

[1] Gabriele Radecke (Universität Göttingen), die bei uns über die Freundschaft zwischen Theodor Fontane, Bernhard von Lepel und Mathilde von Rohr vortrug, arbeitet zur Zeit in Kooperation mit der Theodor-Storm-Gesellschaft an einer kritischen und kommentierten Neuausgabe des Briefwechsels zwischen Theodor Fontane und Theodor Storm.
[2] Gerd Stolz: Heinrich Adolph Meyer und sein „Haus Forsteck“ in Kiel. Husum 2004.

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Sonnabend, 21. Mai 2011, 17.00 Uhr im Refektorium des Klosters Dobbertin
Gerd Stolz, Kiel
Theodor Fontane und seine Beziehungen zu Schleswig-Holstein

 „...aber für Schleswig-Holstein war ich vom ersten Augenblick an Feuer und Flamme gewesen“, bekennt Theodor Fontane rückblickend in seinen Erinnerungen „Von Zwanzig bis Dreißig“. Dem „Land zwischen den Meeren“, dessen Landschaft, Geschichte und Menschen blieb er zeit seines Lebens in Leben und Schaffen in mannigfacher unmittelbarer oder mittelbarer Weise verbunden. Wann immer in Fontanes Gesichtskreis und Erlebniswelt der Norden trat, sei es durch politische Ereignisse, Aufenthalt, Begegnung oder Erinnerung, ergaben sich Arbeiten mit diesem Handlungsrahmen.

 Gerd Stolz (Jg. 1942) hat mehrere Bücher und zahlreiche Aufsätze zur Landeskunde, Verkehrs-, Wirtschafts- und Kultur-geschichte Schleswig-Holsteins veröffentlicht. Er ist den Spuren Theodor Fontanes in Schleswig-Holstein gefolgt, er führt uns in seinem Vortrag durch Fontanes Begegnungen und Berührungen mit dem Land und seinen Menschen, erzählt von dem Ertrag in dessen Werk.