Theodor-Fontane-Freundeskreis M/V – Kloster Dobbertin
Mitglied in der Theodor Fontane Gesellschaft e.V.
       


 


„Fontane trifft Jugend!“

Diese Überschrift scheint ein Widerspruch in sich zu sein – interessieren sich für Theodor Fontane doch eher Menschen mit einiger Lebenserfahrung. Doch in diesem Jahr will es die zentrale Abiturvorbereitung anders – Fontane ist Prüfungsthema!
Angeregt durch unsere Autorenlesung mit Brigitte Birnbaum im vergangenen Herbst, hatte die Schulsozialarbeiterin des Lübzer Gymnasiums, Carola Henkelmann, gleich den ganzen Abiturjahrgang ihrer Schule ins Kloster Dobbertin eingeladen. Und natürlich ließ es sich Brigitte Birnbaum nicht nehmen, einmal vor sehr jungen Menschen zu sprechen – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass es nach ihrer Kenntnis noch kein Theodor-Fontane-Freundeskreis unternommen hat, junge Leute so direkt anzusprechen. Der Schwerinerin, die jetzt in Hamburg lebt, hat nicht nur die Fontane-Forschung einiges zu verdanken – ihr Buch „Fontane in Mecklenburg“ und Veröffentlichungen in der hiesigen Presse haben auch Fontane-Freunden in unserer Region bewusst gemacht, dass der märkische Dichter und Romancier sich durchaus nicht auf Brandenburg und seine dortigen „Wanderungen“ reduzieren lässt.

Und so fanden sich sechzig Schülerinnen und Schüler sowie ihre Deutschlehrerinnen bei trübem Nieselregen im Klosterkreuzgang ein. Voller Neugier, denn einige von ihnen hatten das historische Kloster Dobbertin noch nie von innen gesehen – und wann trifft man schon einmal eine leibhaftige Schriftstellerin?
Zunächst las Brigitte Birnbaum aus ihrem Buch „Fontane in Mecklenburg“ – natürlich aus dem Kapitel über Theodor Fontanes Besuche in Dobbertin, die sie durch Briefzitate wiedererstehen ließ. Sie beschrieb Kloster Dobbertin als einen ganz speziellen Ort, der den Dichter in mehrfacher Hinsicht angezogen hatte – die hier besonders „konservierte“ Historie, aber auch die Möglichkeit zu intensiven Gesprächen mit seiner Freundin und Vertrauten Mathilde von Rohr, die zu dieser Zeit in der Wohnung im heutigen Refektorium lebte. Doch sie sprach auch davon, was diesen Ort für Fontane-Freunde so anziehend macht: präsentiert er sich doch noch (oder wieder) fast genau so, wie ihn Fontane zu seiner Zeit vorfand und fast liebevoll beschrieb:

    „.... Das Ganze ein dörfliches, in kleinre Verhältnisse (aber keineswegs in kleine) transponiertes Oxford. Park, Gärten, alte Bäume, geräumige, anheimelnde Wohnungen, alles um die Kirche herum gruppiert. Wohlleben, Abwesenheit der kleinen Tagessorge, geistige Freiheit. [...] In einem dieser Häuser sitze ich. Refektorium hochgewölbt auf niedrigen Pfeilern. Dicke Mauern. Lauben. Efeumassen. Der in die Dachrinne retirierende Tulpenbaum. Draußen tobt der Lärm der Welt, hier Klosterstille.“1

(So erklärt es sich auch, dass wir im Mai die fast 100 Teilnehmer der Jahrestagung der Theodor-Fontane-Gesellschaft zu einem Besuch im Kloster Dobbertin erwarten.)

Doch nach gebührender Würdigung des Klosters Dobbertin als lebendigem, erhaltenem Fontane-Ort wandte sich Brigitte Birnbaum dem Romanschaffen Theodor Fontanes zu – vor allem natürlich „Irrungen, Wirrungen“, das die Schüler gelesen hatten. Es ist heute kaum noch vorstellbar, dass dieser Roman bei seinem Erscheinen fast einen Skandal („Hurengeschichte!“) ausgelöst hatte. Botho von Rienäcker knüpft eine Liebesbeziehung zur „Schneidermamsell“  Lene Nimptsch, heiratet aber – aus finanziellen Gründen – schließlich doch standesgemäß. Interessant ist, dass Theodor Fontane seine Lene ihrem Liebhaber gegenüber nicht nur „auf Augenhöhe“ auftreten lässt. Sie ist dem Adligen am Ende sogar moralisch überlegen – was zum einen die damalige Aufregung über den Roman erklärt, aber auch die Einschätzung mancher Jungen aus dem Publikum, die „Irrungen, Wirrungen“ eher für ein „Mädchenbuch“ halten. Aber klar doch – Fontane hat eine ganze Reihe „starker Frauen“ in seinen Romanen beschrieben, die ihrer Zeit weit voraus waren und denen seine unverhohlene Sympathie gehörte. Aber diese Begründung auf ihre Frage, was ausgerechnet Fontane zum Prüfungsthema macht, reichte den Jungen nicht aus.  So musste unsere Referentin etwas weiter ausholen und nicht nur Fontanes sprachliche Meisterschaft hervorheben (in einer Zeit, wo sich mancher mit SMS-Kürzeln behilft, nur Comics liest oder Schlagworte benutzt, die am Ende die Sprache ärmer machen). Sie verdeutlichte auch, dass Literaten wie Theodor Fontane zum Besten unserer (Literatur-)Geschichte gehören und der Spiegel ihrer Zeit sind. So helfen sie uns herauszufinden, woher wir kommen – eine wichtige Grundlage für Zukunft!
Weitere Fragen der jugendlichen Besucher schlossen sich an – so zu stilistischen Besonderheiten der Fontane’schen Romansprache oder zu der besonderen Verortung der Romanhandlung.
Wünschen wir unserem Publikum, dass es zunächst einmal eine gute Abiturprüfung ablegt, und dass auch die Jungen (vielleicht im „gesetzteren“ Alter) unserem Fontane all das abgewinnen können, was in ihm steckt: an Lebensweisheit, sprachlichem Charme – und Liebe für besondere Orte wie dem Kloster Dobbertin, das sich unseren Besuchern beim anschließenden Rundgang in strahlendem Sonnenschein präsentierte.

Gabriele Liebenow

1 Notizen aus Theodor Fontanes Nachlass, zitiert in: „Sie hatte nur Liebe und Güte für mich“. Briefe an Mathilde von Rohr. Aufbau Taschenbuchverlag, Berlin 2000.